Interview mit Prof. Dr. Wolfgang Biegert, Stellv. Vorsitzender des Vorstands der Risk Management & Rating Association (RMA) e.V. und Honorarprofessor für Banking, Finance, Rating and Risk an der SRH Fernhochschule – The Mobile University
Umsatzeinbrüche, Kurzarbeit, Geschäftsschließungen: Die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Unternehmen sind weltweit massiv. Wie kommt die Wirtschaft nach dem Shutdown schnell wieder auf Touren? Einschätzungen von Experten aus unten unterschiedlichen Bereichen von Wirtschaft und Politik in der gemeinsamen Interviewreihe der CONCEPT AG und der Sympra GmbH (GPRA).
Herr Professor Biegert, die Corona-Pandemie hat innerhalb kürzester Zeit die zuvor florierende Weltwirtschaft in eine akute Krise gestürzt und stellt Unternehmen weltweit vor die größte Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg. Welche Auswirkungen sehen Sie für den deutschen Mittelstand?
Die Wirtschaftsleistung hat in den vergangenen Wochen stark abgenommen – aktuell und bis auf Weiteres mildern die überdimensionalen Finanzspritzen der öffentlichen Hand die ökonomischen Auswirkungen der Pandemie. Nach Einschätzung führender Wirtschaftsforschungsinstitute dürfte sich ab dem 3. Quartal die Wirtschaft wieder erholen. Die Verbraucher dürften dann die Ausgaben nachholen, die sie aufgrund der Corona-bedingten Einschränkungen aufgeschoben haben. Das kommende Wirtschaftsjahr könnte also von überdurchschnittlichem Wirtschaftswachstum geprägt sein, da Konjunktur- und Fördermaßnahmen der Regierungen und der Notenbanken diesen wirtschaftlichen Aufschwung fördern.
Unbestritten ist sicherlich, dass die Pandemie die Wirtschaftsstrukturen erheblich verändern wird. Die Digitalisierung wird sich durch die Krisensituation noch stärker implementieren. Die Internationalisierungs- und Globalisierungsbestrebungen werden abnehmen; einzelne Länder werden sich verstärkt gegen Im- und Exporte schützen. Ziel ist es, die inländische Wirtschaft zu stärken. Ob dies volkswirtschaftlich sinnvoll und erstrebenswert ist, gilt es zu bezweifeln. Die amerikanische Wirtschaft beschreitet diesen Weg schon seit längerer Zeit. Die Marktkonzentration wird zunehmen, insbesondere bei weltweit tätigen Unternehmen und Konzernen. Auch massive Verdrängungswettbewerbe sind in der nahen Zukunft nicht auszuschließen. Gerade für kleine und mittelständische Unternehmen ist diese Entwicklung eine große Herausforderung.
Und ein dritter Punkt zu dieser Frage: Nicht für alle Branchen wird es Nachholeffekte geben. Das gilt zum Beispiel ganz besonders für das Hotel- und Gaststättengewerbe. In der Automobilwirtschaft läuft zwar aktuell die Produktion wieder an, dennoch ist die Branche davon überzeugt, dass es ohne staatliche Unterstützung, wie beispielsweise eine Kaufprämie, schwierig wird, wieder auf die Beine zu kommen. Solche branchenbezogenen Auswirkungen werden außerdem durch die nicht einheitlichen Lockerungsmaßnahmen noch verstärkt.
Die Unternehmen konzentrieren sich momentan auf die akute Krisenbewältigung, wie kurzfristige Liquiditätssicherung und Organisation veränderter Betriebsabläufe. Ist das aus Ihrer Sicht als Risikomanager ausreichend?
Die kurzfristige Liquiditätssicherung, zum Beispiel durch die Fördermaßnahmen des Bundes und der Länder, oder die Optimierung der Organisation von veränderten Betriebsabläufen ist lediglich ein erster Schritt zur Krisenbewältigung. Ein gesamtheitliches Risikomanagement ist heute nicht mehr nur in Großunternehmen eine zentrale Aufgabe – sondern immer häufiger auch in mittelständischen Unternehmen. Risiken und Bedrohungen zu erkennen, einzuschätzen und wenn möglich zu beseitigen gehört zu den zentralen Aufgaben des Risikomanagements.
Voraussetzung hierfür ist allerdings, die potenziellen Risiken im Unternehmen zu kennen, beispielsweise IT-Systeme, Personal, Räumlichkeiten, Kommunikationswege, Kompetenzen usw. Diese identifizierten Risiken gilt es, zu bewerten, ihre Handhabung zu definieren und in den Managementprozess einzubauen. Beim ganzheitlichen Risikomanagement kommt es im Gegenteil darauf an, um Risiken und Bedrohungen zu wissen und sie auch auf ihre Chancen hin zu analysieren, die mit der Umsetzung von unternehmerischen Aktivitäten verbunden sind. Insofern ist Risikomanagement immer auch ein Kreativprozess und eröffnet Potenziale für Neues und positive Veränderungen.
Die Corona-Krise wird vermutlich eine ökonomische Folgekrise nach sich ziehen. Wie sollten sich Unternehmen auch im Hinblick auf Bewertung und Rating darauf vorbereiten?
Banken sind ja verpflichtet, bei Kreditvergabe ein Rating für das Unternehmen zu erstellen – das sehen die einschlägigen gesetzlichen Regulierungen vor. Dasselbe gilt für andauernde Kreditverhältnisse. Das Ratingergebnis beeinflusst aber auch maßgeblich die Bewertung eines Unternehmens und hat daher Auswirkungen auf Kauf- und Verkaufspreise bei Unternehmenstransaktionen. Die wesentlichen Ratingkriterien beziehen sich dabei auf die Faktoren Management, Markt und Branche, wirtschaftliche Verhältnisse einschließlich der Vermögenssituation und schließlich auf die Unternehmensplanung und Zukunftsperspektiven.
Das positive Ratingergebnis eines mittelständischen Unternehmens wirkt sich also positiv auf die Kreditkonditionen und die Kreditabsicherung bei Banken aus. Eine aktive und transparente Kommunikation mit der Bank ist hier von großem Vorteil. Liquiditätssicherung ist, gerade in schwierigen wirtschaftlichen Zeiten, existenziell. Und sie ist abhängig von positiven Ratingergebnissen, die für alle Beteiligten transparent nachvollziehbar sein müssen.
Bildquelle: (c) SRH Fernhochschule – The Mobile University
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