Interviewserie: „Leidtragende ist der etablierte Mittelstand“

Interview mit Dr. Harald Balzer, Gründer und Vorstandsvorsitzender der CONCEPT AG

Umsatzeinbrüche, Kurzarbeit, Geschäftsschließungen: Die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Unternehmen sind weltweit massiv. Wie kommt die Wirtschaft nach dem Shutdown schnell wieder auf Touren? Einschätzungen von Experten aus unten unterschiedlichen Bereichen von Wirtschaft und Politik in der gemeinsamen Interviewreihe der CONCEPT AG und der Sympra GmbH (GPRA).

Herr Dr. Balzer, Sie sind in Branchen unterwegs, in denen der Konsum bzw. die Investitionsbereitschaft auf absehbare Zeit deutlich unter dem Niveau der vergangenen Jahre zurückbleiben wird. Auf was müssen sich diese Unternehmen nun einstellen?

Ihre Umsätze werden weiter zurückgehen. Das bedeutet am Ende des Tages ein schwächeres Ergebnis, und um dies zu kompensieren, müssen die Unternehmen ihre Strukturen anpassen. Da stellt sich die Frage: In welche Richtung und auf Basis welcher Annahme? Nehmen wir beispielsweise die Automobilzuliefererindustrie und betrachten die Absatzprognosen im Pkw- und Nutzfahrzeugbereich: Hier rechnen Experten für dieses Jahr mit einem Minus von 30 bis 35 Prozent.

Für 2021 sind Rückgänge von 15 bis 25 Prozent vorhergesagt. Das bedeutet, dass ein Unternehmen heute schauen muss, wie es seine Strukturen in den Kostenbereichen auf ein Minus 25 bis 30 Prozent gegenüber dem Vorkrisenniveau anpassen kann. Nur so kann es bei einer Markterholung wieder variabel mitzuwachsen. Das ist natürlich eine große Herausforderung, weil dies nicht nur bedeutet, im direkten Bereich Personal abzubauen oder entsprechend effizienter zu werden – sondern auch im indirekten und Overhead-Bereich. Da hier konsequent vorzugehen ist, wird es an vielen Stellen schmerzhaft werden.

Bund und Länder haben vielfältige Hilfsprogramme aufgelegt. Kommen die bei allen notleidenden Unternehmen wie vorgesehen an?

Wir sehen, dass sehr viel ankommt – leider kaum bei den Unternehmen, die sich schon vor Covid-19 in schwieriger Lage befanden. Die Banken schauen beim Beantragen eines KfW-Programms nämlich ganz genau hin, wie das Ergebnis beziehungsweise die Marktsituation vor der Corona-Krise war. Wir kennen Unternehmen, überwiegend kleinere Firmen mit deutlich unter 30 Millionen Euro Jahresumsatz, die die Mittel zwar beantragt, sie aber nicht genehmigt bekommen haben. Das betrifft auch Zulieferer, Maschinenbauer oder Unternehmen verwandter Branchen.

Ich glaube, dass der Leidtragende der sogenannte etablierte Mittelstand ist, Unternehmen mit 10 bis 30, 40 Millionen Euro Jahresumsatz. Bei den größeren Unternehmen spielen die Politik und die Förderung im Land eine Rolle, sodass hier über finanzielle Unterstützung vielleicht wohlwollender entschieden wird.

Unternehmen aktualisieren laufend ihre Geschäftszahlen, korrigieren sie meist nach unten. Welche Konsequenzen hat dies auf ihr Ranking und damit auf die Risikoeinschätzung durch Banken und Investoren?

Zur Liquiditäts-Unterstützung wurden ja in den letzten Monaten viele Kredite und insbesondere KfW-Mittel ausgegeben. Wer einen Kredit beantragte, wurde von seiner Hausbank, über die diese Fördermittel laufen, mit einem Rating versehen. Das ist der ganz normale Prozess bei einer Kreditvergabe. Das heißt, die Banken haben in den letzten Wochen die Ratings immer auf Basis der bis zu dem Zeitpunkt vorhandenen Zahlen vorgenommen. Zum Kreditprozess gehört aber auch, dass die Banken, sobald ihnen neue Zahlen vorliegen, ihre Ratings aktualisieren müssen. Die Ergebnisse aus dem ersten Quartal kommen jetzt – und die dürften sich in den meisten Fällen verschlechtert haben. Dementsprechend massiv wirken sie sich auf die Ratings aus. Sprich: Das Risiko für vergebene Kredite steigt. Das wiederum bedeutet, dass die Banken auf die Unternehmen zugehen werden, weil sie wissen wollen, was diese im Hinblick auf ihre Ergebnissituation vorhaben. Damit sind wir wieder bei dem bereits genannten Punkt: Was müssen und können die Unternehmen strategisch, strukturell und insbesondere im Bereich der Personalkosten tun? Hier entsteht dringender Handlungsbedarf, spätestens Ende Q2, Anfang Q3.

Wie können Unternehmen Ihr Geschäftsmodell und ihre Organisationsstrukturen gerade jetzt zukunftsfähig machen? Und: Wie können Sie dabei unterstützen?

Das Geschäftsmodell beschreibt, welche Produkte hergestellt bzw. welche Dienstleistungen erbracht werden. Damit verbunden ist die Frage, wie wirtschaftlich diese Produkte oder Dienstleistungen für das Unternehmen sind. Wie sehen ihre Deckungsbeiträge aus? Wie tragen sie zum Ergebnis des Unternehmens bei? Wir kategorisieren die Produkte und Dienstleistungen in sogenannte Gewinnbringer, Kostendecker und Verlustbringer. Diese Betrachtung gilt es als erstes anzustellen und daraus abzuleiten, auf welche Produkte und Dienstleistungen mit welcher Ertragskraft sich das Unternehmen einstellen soll. Wir prüfen parallel, welches wirtschaftliche Leistungsprofil das Unternehmen hat, also welche Umsätze dann möglich sind und wie die Organisations- und Personalstruktur dafür aussieht. In der Regel führt diese Analyse dazu, dass man diese Strukturen komplett überdenkt und versucht, effizienter zu gestalten. Wir fürchten, dass es hier zu deutlichen Straffungen kommen wird – auch, um ausbauen zu können, wenn das Geschäft wieder anzieht.

 

Bildquelle: Concept AG

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