Interview: „Nachhaltigkeit sollte selbstverständlich sein“

In unserem aktuellen symFOCUS geht es um Nachhaltigkeit in Unternehmen und die Verantwortung, die sie tragen. Der Begriff Corporate Social Responsibility ist bereits seit den 1950er Jahren in der Wirtschaftsliteratur vertreten und umschreibt seither verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln. In der Praxis hat CSR in den letzten Jahren enorm an Bedeutung gewonnen und dementsprechend nimmt auch die Kommunikation darüber zu. Wir haben Prof. Dr. Wolfgang Schweiger, Leiter des Fachgebiets „Kommunikationswissenschaft insbesondere interaktive Medien- und Onlinekommunikation“ an der Universität Hohenheim, zu dem Begriff und seiner Relevanz in Wissenschaft und Praxis befragt.

Herr Professor Schweiger, laufen wir Gefahr, dass der Begriff Nachhaltigkeit an Bedeutung verliert, weil er zu oft und vor allem zu oft missbräuchlich verwendet wird?

Der Begriff ist ja ohnehin sehr facettenreich. Ich habe vor vielen Jahren selber erst lernen müssen, dass Nachhaltigkeit nicht immer gleich ökologisch meint, sondern darunter auch wirtschaftliche und soziale Aspekte fallen. Damit kann man natürlich alles und nichts begründen – dass ein Unternehmen versuchen muss, wirtschaftlich erfolgreich zu sein, hat dann wirklich nichts mehr mit dem öffentlichen Begriffsverständnis von Nachhaltigkeit zu tun. Insofern ja: Wir müssen aufpassen, dass der Begriff nicht allzu inflationär gebraucht wird.

Welche grundlegenden Regeln für gute CSR-Kommunikation liefert die Wissenschaft?

Die empirische Forschung liefert viele kleinteilige Befunde, die aber oft im Alltagsgeschäft eines Kommunikationspraktikers nicht unbedingt weiterhelfen. Natürlich versuchen wir mit unserer Forschung, auch die großen praktischen Fragen zu beantworten. Dabei geht es ganz stark um Transparenz, Glaubwürdigkeit und Vertrauen – da können wir Wissenschaftler am meisten beisteuern, und diese Aspekte machen in der Kommunikationspraxis oft die größten Probleme. Man darf aber nicht alles von der Wissenschaft erwarten – die berufspraktischen Erfahrungen, die man in Agenturen und Unternehmen macht, sind mindestens ebenso wichtig.

Sie beschäftigen sich in Ihrer Forschung und Lehre vorrangig mit Onlinekommunikation. Welche Rolle spielen Interaktion und Onlinemedien in der CSR-Kommunikation?

Corporate Social Responsibilty ist ein Konzept, das in Deutschland vor ungefähr zehn Jahren aufgetaucht ist und damals seine erste große Modewelle hatte. Diese Konjunktur kommt nun wieder und ist noch stärker ökologisch geprägt als damals – siehe Fridays for Future, Klimadebatte und Co. Gleichzeitig sind Online-Kanäle das Mittel der Stunde, um relevante Zielgruppen zu erreichen – vor allem junge Menschen, die sich über ihre Zukunft und die Zukunft der Welt Gedanken machen. Es wäre ungeschickt, CSR-Kommunikation nicht ganz stark online umzusetzen.

Der Begriff CSR wurde lange Zeit von Konzernen und großen Unternehmen besetzt. Welchen Chancen sehen Sie für den Mittelstand und was sollte er bei der Kommunikation beachten?

Ich habe früher ab und zu boshaft gesagt, dass CSR deshalb ein Thema geworden ist, weil Konzernen zunehmend der moralische Kompass verloren gegangen ist. Manchmal habe ich das Gefühl, dass gerade im angelsächsischen Raum der Kapitalismus und das freie Wirtschaften noch einen ganz anderen Stellenwert haben als in der deutschen sozialen Marktwirtschaft. Unter dem Begriff Nachhaltigkeit werden oft Dinge als etwas Tolles verkauft, die eigentlich selbstverständlich sein sollten. Der deutsche Mittelstand hatte schon immer diesen moralischen Kompass und hat all das im Idealfall ohnehin schon gemacht. Das Ganze jetzt mit einem neuen Begriff zu versehen, ist für Mittelständler vielleicht manchmal ein bisschen kurios.

Also war der „Import“ von CSR nach Deutschland und in andere europäische Länder im Hinblick auf den Mittelstand gar nicht unbedingt notwendig?

Eigentlich sollte es gar kein CSR geben müssen, es sollte selbstverständlich sein, als Unternehmen verantwortlich zu agieren und dem Gemeinwesen etwas zurückzugeben. Aber nun nennen wir dieses Zurückgeben CSR, und das ist auch gut so. Dass dadurch nochmal daran erinnert wird, dass es solche Verantwortlichkeiten gibt, ist sicher auch nicht schlecht, weil natürlich nicht jedes Unternehmen vorbildlich agiert und so ein breites öffentliches Bewusstsein geschaffen wird.

Verändert sich CSR-Kommunikation?

Generell sehen wir in der Onlinekommunikation die Tendenz, von klassischer Werbung wegzugehen, wo Marke und Produkt einfach mit schönen Bildern und Vorstellungen verknüpft werden. Über Storytelling und Content-Marketing wird mehr erzählt – dafür sind natürlich CSR-Inhalte der ideale Content. Wenn man Geschichten aus dem eigenen Unternehmen oder über die Produkte erzählt, ist es natürlich gut, zu zeigen, dass man der sozialen und ökologischen Verantwortung gerecht wird.

Sind Nachhaltigkeit und CSR in zehn Jahren dann immer noch solche Trendthemen?

In zehn Jahren wird die Klimakrise noch deutlich spürbarer sein und wir werden ohnehin in einer sich viel stärker verändernden Welt leben. Das spricht natürlich dafür, dass die Themen Ökologie, Nachhaltigkeit und Transformation von Unternehmen und damit auch CSR-Kommunikation immer wichtiger werden.

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